Sprachsalz 2008 – Bode Hell / Charles Plymell / Klaus F. Schneider

08.04.2009

Bode Hell lebt in Wien und am Dachstein
„Bodo Hell lesen heißt, ganz wachen Auges zu sein.“ schreibt Michael Lentz, letztjähriger Sprachsalz-Gast. Und taucht man ein in die Textwelten Hells, schlägt man beispielsweise sein Tracht : Pflicht auf, so setzt unmittelbar ein Brausen und Summen ein. Denn Hell vermisst in seinen Texten das zu Beschreibende in all seinen Dimensionen. In seinen anderen Natur/Wahrnehmungen, wie auch ein Kapitel im genannten Buch betitelt ist, dienen Wörter und Sätze als Wegweiser durch ein Gewebe aus Stadt-, Natur- und Kopflandschaften, aus unmittelbar Beobachtetem, enzyklopädischem Wissen, Tradiertem und Fundstücken aus Fauna und Flora. Weiters macht sein Wissen um die volkstümliche Mythologie aus seinen soeben erschienenen Essays Nothelfer eine unverzichtbare Pflichtlektüre für (fast) alle Lebenslagen.

Charles Plymell lebt in Cherry Valley, NY
Der amerikanische Autor wuchs in den Dreißiger- und Vierzigerjahren auf einem Bauernhof in Holcomb (Kansas) auf, der einem Feuerbrand zum Opfer fiel. Bald darauf begannen für Charles Plymell die Wanderjahre und in den Fünfzigerjahren trieb er sich in New York in den Kreisen der Beatniks herum. Anfang der Sechzigerjahre kam er nach San Francisco, wo er sich als Dockarbeiter seinen Lebensunterhalt verdiente und wo er mit seinen Publikationen (Gedichte, Comics, Fotografien) und als Verleger sehr rasch neben Allen Ginsberg und Neal Cassady (sie lebten in einer Wohngemeinschaft in der Gough Street) zu einer zentralen Figur in der beginnenden Hippie-Bewegung wurde.
Für Charles Plymell bedeutet Beat eine Lebensform, oder wie Plymell es einmal formulierte: „Man muss einfach Farbe bekennen, wohin man gehört.“ 1971 erschien sein Roman The Last of the Moccasins, ein hoch gerühmter Roman, der heute noch als die Fortsetzung von Kerouacs On the road gilt. In diesem Buch beschreibt er vor allem das kurze wilde Leben seiner Schwester. Seine neuen Gedichte swingen zwischen Kulturpessimismus und Hoffnung auf eine neue Generation, die in und mit der Welt anders umgehen, als die Menschheit bisher.

Klaus F. Schneider lebt in Stuttgart
„Der Nutzen von Nachahmern ist jener, dass sie uns von den literarischen Gebrechen kurieren.“ Genau jenen Satz hätte man, obzwar er von George Steiner ist, durchaus aber auch in einem Gespräch mit Klaus F. Schneider von ihm hören können. „Unsere Bibliotheken und Wendeltreppen sehen immer mehr wie von Borges geträumt aus, obwohl die Quellen seiner Sicht einmalig und unzugänglich sind.“ Und die Quellen und die Sicht Schneiders sind ebenso einmalig; wenn auch im Gegensatz zu denen von Borges jedoch zugänglich. Die letzten Gedichte, die mich nachhaltig zu beeindrucken verstanden, waren jene aus dem Buch Auswertung der Flugdaten von Kling; keinesfalls will ich hier die Arbeit von Kling mit der Schneiders vergleichen, ihn aber dennoch in seiner Bedeutung neben Thomas Kling stellen. „Mit dem akademischen Rummel kamen die Imitatoren.“ Nichts ärgert ihn mehr als die Damen und Herren Imitatoren. Und er kann sich dann Luft machen und eine Spitze nach der anderen (die aber zu keiner Zeit etwa ins Ungerechte abkippen) gegen die prestigeträchtigen Grandseigneurs, dem diplomatischen Korps der internationalen Poesie loslassen. Bei seinen Lesungen kommentiert er des Öfteren entweder im Voraus oder im Nachhinein geistreich das zu lesende oder auch bereits gelesene Gedicht: Lassen Sie sich diesen Dichter aus Siebenbürgen nicht entgehen.
Und so, wie Bodo Hell die eigene Biografie des Schriftstellers um die Berufung zum Almwirt am Dachstein erweitert hat, sind auch seine Lesungen mehr als solche, werden Texte zum (musikalischen) Gesamtkunstwerk.

Lesung im Rahmen von Sprachsalz 2008

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